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CSD 2014 – Podiumsdiskussion ‚Homophobie im regionalen Amateurfußball‘

Podiumsdiskussionen sind normalerweise kontrovers angelegt. Vertreter verschiedener Positionen werden im modernen Medienzeitalter in den Ring geschickt und bekämpfen die Kontrahenten mit harten Argumenten. Ganz anders bei der Diskussion zur ‚Homophobie im regionalen Amateurfußball‘ am 28. Juli in den Räumen des VfR in Mannheim. Ein hochkarätig besetztes Podium -einschl. Markus Kellmann, Abteilungsleiter der mvd-quadratekicker – war sich von Anfang an einig, dass man Homophobie entgegentreten muss.

Harmonie

Lag es an der versierten Moderation durch Roland Bode, freier Sportjournalist und ehem. Pressesprecher des SV Waldhof, der kompetent durch die Diskussion führte oder ist einfach die Zeit reif für eine offene Diskussion. Dieses Podium war von Harmonie durchdrungen, dass etwas getan werden muss.

Die Tür steht offen

Der Präsident des mit-veranstaltenden bfv, Ronny Zimmermann, bezog klar Stellung: Bei mir darf jeder kicken. Die Tür steht offen, auch für schwule Fußball-Teams. In Sven Wolf hat der bfv einen kompetenten ‚Ansprechpartner für Homosexualität‘ gefunden, der jetzt seit einem halben Jahr im Amt ist. Das Feedback, das er erhält, ist durchweg positiv. Und Klaus-Rüdiger Geschwill erklärt, dass beim SV Waldhof bisher noch keine Probleme aufgetaucht sind. Aber man wird sich auch dort mit dem Thema befassen. Martin Willig vom Fanprojekt MA/LU kann in der Seele der Fans keine Diskriminierung ausmachen. Alles in Butter also?

Allein Harald Blaull, vom mit-veranstaltenden CSD Rhein-Neckar, wirft ein paar Zweifel in die Runde: Ein Anfang ist zwar gemacht. Aber jetzt muss erst einmal eine Analyse der Situation erstellt werden. 5-10 Prozent Homosexuelle gibt es auch im Fußball. Wenn das Klima nicht stimmt, wird oft die eigene sexuelle Orientierung aus dem Vereinsleben heraus- und im Privatbereich gehalten.

An dieser Stelle kommt zum ersten Mal an diesem Abend der schwule bzw. lesbische Schmerz im betroffenen Publikum auf. Wir kennen das. Am Arbeitsplatz, in der Familie und im Verein sollen sich Homosexuelle neutral verhalten und ihre Homosexualität nicht sichtbar werden. Die Homosexualität soll im verborgenen Privaten bleiben. Dann gibt es auch keine Probleme?

Verständnis für Aggressivität – Hoffnung auf Aggressionsabbau

Richtig weh tut es aber, als großes Verständnis für aggressive Brüllerei von Fans geäußert wird. Sozusagen als Kompensation, um nicht zuhause aggressiv aufzufallen. Autsch! Dieses Verständnis für Aggressivität geht uns Schwulen dann doch zu weit. Wo ist die Grenze? Wenn man das aus schwuler Sicht zu Ende denkt, … Dieselben aggressiven Männer zertrümmern nach dem Spiel schonmal eine Straßenbahnhaltestelle. Oder, und das ist der Homophobie-Klassiker überhaupt, … Aggressoren dieser Art machen schonmal bei anderer passender Gelegenheit beim ‚Schwulen klatschen‘ mit. Haben wir dafür dann auch Verständnis? Wäre ‚Schwulen klatschen‘ besser als die Ehefrau zu schlagen? Buh! Und Einspruch! Aggressivität, verbal oder handgreiflich,  gehört nicht in die Fankurve.

Markus berichtet vom Erfolg der mvd-quadratekicker

Gelassen, gesprächsbereit und authentisch berichtet unser mvd-Abteilungsleiter Fußball, Markus Kellmann, von den Erfahrungen der mvd-quadratekicker, die es seit zwei Jahren im mvd-sportverein gibt. Es ist eine wahre Erfolgsgeschichte, leider mit etlichen Wermutstropfen. Einige, die gleichzeitig in einem Hetero-Verein Fußball-spielen, wollen aus Angst vor den Mitspielern im Hetero-Verein kein öffentliches Coming-Out. Und einem mvd-quadratekicker passierte ganz konkret die sprichwörtliche Diskriminierung: Er hat einen A-Trainerschein, trainierte eine Jugendmannschaft und wurde nach seinem Coming-Out von seinem Hetero-Verein gekündigt. Das ist dann so ein klarer erster Fall, für den sich Ronny Zimmermann und Sven Wolf vom bfv bereit erklären, aktiv zu werden.

Viele Fragen liegen jetzt auf dem Tisch: Ist der Gebrauch des Wortes schwul negativ und ein Schimpfwort oder lässt uns der Gebrauch kalt? Wie überwinden wir die unsägliche Gleichsetzung von Homosexualität und Pädophilie? Wie wird ein offenes und friedfertiges Klima im Amateurfußball geschaffen? Was kann in der Trainerausbildung getan werden, um Vorurteile abzubauen? Ein Anfang ist gemacht. Wir wollen im Gespräch bleiben.

Und hier im Detail:
Die ca. 40 Zuhörer bzw. Journalisten konnten zeitweise ihren Ohren nicht trauen: So viel Einigkeit zum Thema macht eigentlich noch keine interessante Podiumsdiskussion. Das Medienecho ist dennoch beachtlich.

SWR 4 – Kurpfalz-Radio, Dienstag, 29. Juli 2014

morgenweb.de, Mittwoch, 30. Juli 2014 – Vorurteile auf beiden Seiten abbauen

Rhein-Neckar-Zeitung, Mittwoch, 30. Juli 2014 – Homophobie im Amateurfußball 

Lampertheimer Zeitung, Mittwoch, 30. Juli 2014 – Klima für angstfreies Outing schaffen

Weinheimer Nachrichten / Odenwald Zeitung, Mittwoch, 30. Juli 2014 – Supporter heißt Unterstützer – nicht Beleidiger

Ronny Zimmermann, bfv-Präsident und DFB-Vizepräsident

Er ist gelassen: Jedes gesellschaftliche Thema schlägt früher oder später beim Fußball auf. Bevor es explodiert, muss man sich drum kümmern. Er ist dafür, Flagge zu zeigen! „Bei mir darf jeder kicken. Es muss einem aber klar sein: Überall, wo du hinkommst, ist schon ein Idiot.“

Der bfv hat kompetente Personen gesucht, um Ansprechpartner zum Thema Homosexualität und gegen Diskriminierung zu haben. Wenn etwas passiert, muss allen klar sein, dass geholfen wird.

Dennoch ist auch im Fußball wie in der gesamten Gesellschaft ein gewisser Bodensatz vorhanden. Fans mit beleidigenden Rufen haben ein völlig falsches Verständnis vom Sport. Die beleidigenden Rufe sind Müll. Supporter heißt Unterstützer – nicht Beleidiger. Die Beleidung des Gegners schadet eher der eigenen Mannschaft.

Die Tür steht offen, auch für schwule Fußball-Teams. Die schwule Karlsruher Fußball-Mannschaft wurde gefragt, ob sie im Spielbetrieb mitmachen wollen. Der bfv begleitet das dann auch.

Sven Wolf, bfv-Ansprechpartner für Homosexualität
und Geschäftsführer des VfR Mannheim
Er ist als einer von zweien seit einem halbem Jahr als Ansprechpartner für Homosexualität zuständig und hat bisher nur gutes Feedback bekommen. Er ist selbst offen homosexuell. Selbst wenn Probleme oft nicht sichtbar sind, muss etwas getan werden. Der bfv wird Hilfe „von oben“ anbieten.

Auch der VfR ist Erstunterzeichner der „Berliner Erklärung“

Harald Blaull, Vorsitzender CSD Rhein-Neckar e.V.

Gut, dass es zu dieser Veranstaltung gekommen ist. Es ist wichtig Gesicht zu zeigen, mit der Arbeit zu beginnen und Vorurteile abzubauen!

Homophobie ist nicht nur ein Thema für Spitzensportler. Es muss ein Klima geschaffen werden und es müssen klare Positionen bezogen werden. Homosexuelle gehören zur Vielfalt dazu.

Gab es bisher keine Probleme? Wenn sich keiner meldet, heißt das nicht, dass nichts ist. Wird nicht vielmehr die Sexualität bzw. die sexuelle Orientierung im Privatbereich versteckt? Zunächst muss erst einmal durch ein Institut ermittelt werden, was die Lage ist. Erstmal Analyse machen.

Markus Kellmann, Abteilungsleiter Quadratekicker im MVD e.V.
Die mvd-quadratekicker gibt es jetzt schon seit zwei Jahren. Es gibt 25 Mitspieler. Als nach dem Coming Out von Thomas Hitzlsperger gleich beim abendlichen Training zwei Kamerateams das Training der quadratekicker filmten, wollten zwei Mitspieler nicht gefilmt werden. Sie spielen noch in einem Hetero-Verein. Sie wollten sich nicht outen, weil sie Angst vor den Mitspielern im Hetero-Verein haben.

Ein mvd-quadratekicker hat den A-Trainerschein und wurde nach seinem Coming-Out als Trainer einer Jugendmannschaft vom Hetero-Verein entlassen.

Klaus-Rüdiger Geschwill, Vorstandsmitglied des SV Waldhof
Er bekennt offen, dass man sich bisher nicht mit dem Thema befasst hat. Es sind bisher noch keine Probleme aufgetaucht. Aber: Die Mitgliedschaft im SV Waldhof bedeutet: keine Diskriminierung. Der SV Waldhof wird sich mit dem Thema befassen. Die Fans des SV Waldhof sind aber „etwas robuster“.

Martin Willig, Fanprojekt Mannheim/Ludwigshafen
Sein Blick in die Fan-Seele zeigt ihm, bisher gibt es keine Diskriminierung. Zum Beispiel werden die Partner bei Fan-Fahrten toleriert und angenommen.
Eine Initiative im Sportkreis wird einer der kommenden Schritte sein. Interessant wird: Wie reagiert die HardCore Fanszene? Die Fankurve ist kein Streichelzoo.