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RNF – Zur Sache: „Wie schwul ist das denn? Homophobie im Amateurfußball“

Freitag, 15. August 2014, 14.15 Uhr, im Foyer des RNF. Die Talkrunde trifft sich. Freundliche Begrüßung. Man kennt sich aus der Podiumsdiskussion vor ein paar Wochen. Zunächst geht’s in die Maske. Das erste Klischee wird abgeräumt. Die Hetero-TV-Profis kennen sich in der Maske erstaunlich gut aus, die Homo-Amateure nicht. Es wird eine spannende und interessante Sendung. Klare Empfehlung: Anschauen!

Quicklink zur Sendung: Wie schwul ist das denn? Homophobie im Amateurfußball

Es wird Markus‘ erste Talkrunde im Fernsehen. Er wird sie hervorragend meistern und wichtige Beiträge beisteuern. Die Runde dreht sich um die Frage, wie viel Homophobie gibt es denn eigentlich im Fußball? Und wenn es welche gibt, ist der Fußball verantwortlich oder ist er da nicht eher ein Abbild der Gesellschaft? Hat der Fußball eine besondere Verantwortung?
Die Atmosphäre ist freundlich. Ein Hauch von Lampenfieber liegt in der Luft. Platz nehmen am runden Studiotisch, es werden Scherze gemacht, Interessantes und Internes wird ausgetauscht. Da sind Kenner zusammen, quasi ein Experten-Stammtisch. Mikrophone werden installiert. Sprechprobe, „noch 3 Minuten“, sagt die Regie. Wo bleibt der Ernst? „… noch 30 Sekunden.“ Jetzt wird es ruhiger. Der Werbeblock: „Ich vertraue auf Dingsda, damit Bewegung Freude macht.“ und ab! Kamera 2: Wolfgang Grünwald moderiert die Sendung an. Kamera 2 zieht auf.

Aus der Sendung …

Wolfgang Grünwald vom RNF: „Ein Fußballspiel ist kein Streichelzoo, … und alles mit der gern zitierten gesunden Härte. Darauf kommt es für die meisten Menschen beim Volkssport an …. Und richtig hart sein, können -nach Meinung vieler- auch nur richtig harte Kerle. Und … die sind eben heterosexuell.“

Sven Wolf, Badischer Fußballverband / VfR Mannheim: „… Es kann schon ganz andere Folgen haben, wenn dort (Red: im Amateurfußball) Homophobie auftritt, … Ich musste ja erstmal mit meiner Homosexualität selbst klar kommen. Das hat auch ein paar Jahre gedauert. … Klar war, dass ich damit offen umgehen will. … Ich bin seitdem ich siebzehn bin beim VfR Mannheim und muss es da keinem offensiv auf die Nase binden, aber wenn ich gefragt wurde nach ’ner Freundin, …. da sage ich schon, was Sache ist. Und dann ist das Thema für mich abgehakt. Das Glück, was ich hatte, ist einfach, dass ich selbstbewusst damit umgehen kann. Das kann eben nicht jeder. …“

Markus Kellmann, MVD-Quadrate Kicker: „Es gibt Probleme … im Amateurfußball. … Wir haben zwei Spieler, die nicht nur bei uns mitspielen, die auch im regulären Ligabetrieb im Amateurverein mitspielen. …. Die wollten nicht, dass … rauskommt, dass sie schwul sind. … Die hatten Angst in ihrer Mannschaft nicht mehr willkommen zu sein.
Ein anderer Spieler bei uns … hat den Trainerschein gemacht, hat auch eine Jugendmannschaft betreut und irgendwann kam raus, dass er schwul … ist, und diesem Spieler wurde … gesagt, … wir wollen nicht mehr, dass du unsere Jugendmannschaft trainierst. … Nicht jeder Schwule ist im Fußball willkommen. Und das darf nicht sein.“

Ronny Zimmermann, bfv-Präsident und DFB-Vizepräsident: „Das ist schade. Das ist traurig, dass so etwas passiert, aber man muss bei all dem … immer im Auge behalten, wo wir uns bewegen. Das sind allein in Baden über 200.000 Menschen. … Es wäre fatal zu behaupten, dass das alles Engel sind … Da gibt es halt auch Menschen, die merkwürdigen Gedanken folgen. … Das hat im Fußball keinen Platz. … Wir haben natürlich immer propagiert, wir wollen Fairplay, Respekt auf allen Ebenen … Das hat im Übrigen in unserer ganzen Gesellschaft keinen Platz und wir müssen dann natürlich entsprechende Schritte tun, … das möglichst einzugrenzen. …“

Martin Willig, Fanprojekt Mannheim: „… Ich sehe es erstmal als ein sehr großes Randthema an. … als Vertreter vom Fanprojekt … haben wir es natürlich auch mit größerem Fanaufkommen zu tun. Dort ist es natürlich schon Thema, dass es hin und wieder während der Spiele zum Ausspruch „Schwuler“ kommt, … Ich würde es … für uns nicht als ein zentrales Thema unserer Arbeit beschreiben, … grade Thema Gewalt im Fußball war eine Arbeit in den letzten Jahren, die uns intensiver beschäftigt hat, … ansonsten sind wir da natürlich auch sensibel und schauen und hören genau hin. … Was uns eigentlich mehr Sorgen macht, ist die Masse Menschen, die es stillschweigend duldet.“

Klima schaffen …

Die Diskussion nimmt oft richtig Fahrt auf, wenn Markus nachhakt. Zum Beispiel hier:

Markus: „… es ist erstmal wichtig, ein Klima zu schaffen … Ich hab‘ eher den Eindruck, wenn’s ein Problem gibt, dann geht der Schwule lieber einen Schritt zurück, … nicht negativ auffallen, keinen Konflikt in die Mannschaft tragen … Ich glaube, viel wichtiger ist erstmal, den Schritt zu gehen, ein Klima zu schaffen, wo der Spieler frei seine Persönlichkeit entfalten kann … und dann sieht man, ob homophobe Gegentendenzen kommen. Aber solange die Spieler Angst haben, … ausgeschlossen zu werden, da muss erstmal da (Red. beim Klima) etwas passieren. …“

Coming Out schwuler Jugendlicher …

Und da blitzt aus schwuler Sicht einige Male das wichtige Thema ‚Coming Out‘ auf und wie es einem schwulen Jugendlichen geht, der sich damit auseinandersetzen muss. Bei Sven gleich am Anfang der Talkrunde, genauso wie bei Markus später in der Talkrunde.

Markus: „… Da muss überall angesetzt werden. … Ein großer Knackpunkt ist das Klima im Verein und da sehe ich die Trainer, die Funktionäre ganz stark in der Verantwortung. Schon bei den Kleinsten, wenn … das Wort schwul in negativer Assoziation fällt, sollte ein Trainer dagegen angehen. Schon bei den Kleinsten klare Pflöcke setzen und sagen: So nicht! … Auch die Atmosphäre in der Kurve spielt ’ne große Rolle. Wenn da ’schwule Sau‘ fällt, kann das … den Jugendlichen, der vielleicht grade mit sich kämpft, beeindrucken. Ich kenn’s von mir. Ich war früher auch im H-Block im Stadion gestanden und da war ‚Schwule Sau‘ ganz klar und ich hab‘ mir auch deswegen … schwer getan, mir mein Schwul-sein einzugestehen.“

Die Tür steht offen 

Die Tür steht offen. Das ist für so manchen alten Sporthasen ein Wunder nach all den Jahren der Ausgrenzung. Für die Jungen und die heute Verantwortlichen im Fußball ist die offene Tür eine Selbstverständlichkeit. Und wie das immer so ist: Die wichtigsten Gespräche waren die vor und nach der Talkrunde. Man tauscht sich ohne Scheinwerferlicht frei und humorvoll aus und vereinbart, in Kontakt zu bleiben. Was angestoßen ist, wird in den nächsten Wochen ausführlicher besprochen. So kontrovers wie in einer Talkrunde ist das Leben am Ende doch gar nicht. Deswegen ähnelt eine Talkrunde auch mehr einem Stammtisch, als einem Arbeitstreffen. Der Zuschauer soll ja nicht einschlafen oder gar abschalten.

Link zur Talkrunde in der Mediathek beim RNF: Wie schwul ist das denn? Homophobie im Amateurfußball